Ein unfreiwilliges Abenteuer jagt das Nächste
Eigentlich sitze ich am liebsten zuhause und lese ein Buch oder schaue aus dem Fenster. Unangenehmerweise werde ich dabei aber ständig unterbrochen, und meistens bin es ich selbst, der mich in meiner Ruhe stört. Oft indem ich mir sogenannte Projekte ausdenke, von denen man im Nachhinein gar nicht so sicher sagen kann, ob sie die Mühe wert waren.
Zum Beispiel bin ich, von niemand anderem gezwungen außer meiner eigenen Rastlosigkeit, in meinen frühen 20ern nach Berlin ausgewandert, um Jongleur zu werden. Nach einem Jahr jonglieren (das ist unerlässlich, wenn man Jongleur werden will) in feuchten Kellern in Berlin, und ersten Schnupperstunden im zeitgenössischen Tanz (damals meinte ich es noch ernst) bin ich auf einer Kunstuni (Zirkus und Performance, was es nicht alles gibt) in Holland aufgenommen worden. Dort hat man mir nicht abgewöhnt, durch übermäßigen Gebrauch von Klammern Sätze bis hin zur Unkenntlichkeit zu zerfleddern.
Foto: Karla Arevalo
Die holländischen Winter waren lang und kalt, ein Zirkuszelt ist sehr hoch, und Hitze steigt auf. Die Luftakrobatinnen hatten stets hochrote Köpfe wenn sie sich erhitzt von ihren Trapezen und Seilen hinunterwanden, während wir Jongleure mit steifen Händen, blauen Lippen und eingefrorenen Zehen versuchten, den Geheimnissen des Werfens und Fangens auf die Spur zu kommen .
Aus diesem und anderen Gründen bin ich zur Zirkusschule "Le Lido“ in Toulouse gewechselt, warum mich die aufgenommen haben, weiß ich bis heute nicht. Jedenfalls tat ich den dort Anwesenden nicht den Gefallen vorzeitig abzubrechen, und habe "Le Lido" abgeschlossen.
Nach behördlich beglaubigtem Bildungsabschluss in den Künsten des Schabernacks und der Effekthascherei fing ich an, im schönen Frankreich mein Unwesen zu treiben. Mit der Kunstfigur „Helmut von Karglass“ bin ich seit gut 10 Jahren in Frankreich auf Tour, und habe gute 300 Auftritte hinter mir. Dieses vielfältige Land mit seiner reichhaltigen Kultur und vor allem seinen wunderbaren Menschen ist mir wirklich ans Herz gewachsen. Natürlich habe ich dort auch viele Wappler kennen gelernt, so ist es nicht.
Trotz aller Freude an der Fremde zog es mich dennoch immer häufiger zurück in die Heimat, denn wie viele andere musste auch ich einsehen: nur zuhause fühlt man sich so richtig daheim. Und jetzt bin ich wieder da, und habe mit „Gern Geschehen“ mein erstes Programm in deutscher Sprache geschrieben. Ein zweites ist in Vorbereitung. Und ein neues Zirkusprojekt ebenso.
​